PREDIGT ZUM OSTERFEST 2020

Schwestern und Brüder im Herrn,

Es sind stille Ostertage in diesem Jahr – am Palmsonntag morgen sangen die Vögel an der Ludwigstraße und auch gegen Ende der Karfreitagsliturgie hörte man vom Kindergartenspielplatz das beginnende Abendlied – auch die Nächte zwischen den Kartagen waren still, wie selten vor unserer Kirche. Der große Mond tat dann noch das Übrige dazu und es waren fast romantische Nächte – wenn man noch im Dunkeln spazieren ging, dann wirkte die Ludwigskirche noch größer und die Ludwigstraße noch prachtvoller – auch der Josephsplatz schickt sich so an die Fassade und den Turm der Kirche wachsen zu lassen und die Häuser drücken eine richtige Geborgenheit aus, in ihrem stillen Dastehn. Die Stille macht die Dinge groß, läßt sie besser sehen und wirken. Es sind Tage in den wir merken können, daß Stille nicht nichts ist – sondern etwas großes, umhüllendes – Stille kann einen gewaltigen Eindruck machen, kann eher noch Spannungen erhöhen – denken Sie an Generalpausen in der Musik – die sind nicht da um zu warten, sondern um Spannung aufzubauen. Manche Musik drückt auch eigentlich nichts weiter als Stille aus. Le Combat z.B. – die Auferstehung geschieht in der Stille – einer Stille die dann anbricht, wenn der Kampf zwischen Leben und Tod zu Ende gegangen ist. In den Kartagen haben wir in den Lesungen Jubel und Gebrüll gehört, bis hin zum Schrei Jesu in die Nacht seiner letzten Verlassenheit – und dann am Karfreitag begann die Stille – und die Stille hat die Fähigkeit sich geistlich füllen zu können – es gibt wie gesagt eine gespannte Ruhe, die vor dem Sturm – und an Ostern ist es die Stille in der sich die Auferstehung ereignet – am Punkt der größten Ruhe geschehen die tiefen und großen Dinge des Daseins – in der Stille der Nacht wird Er geboren, in der Stille der Nacht steht er auf – in diese Stille mischt sich dann der Jubel des Ostermorgens – die Stille ist der Goldgrund für das Bild der Auferstehung. Dessen sollten wir uns bewusst sein, nicht der Lärm ist das Grundlegende, sondern die Stille. Jedes Wort, das wir sprechen, sagen wir in die Stille hinein – unsere Vokale und Konsonanten sind nur dafür da die Stille einzuteilen um sie mit Information zu füllen. Musik ist die Einteilung von Stille und Zeit – ohne Stille gibt es keinen Klang. Versuchen wir die Stille so zu begreifen, sie ist nicht ein Defizit, sie ist nicht eine Abwesenheit von Geräusch, sondern sie ermöglicht das erst. Und so lehrt die Stille erst das Hören. In vielen Kulturen war und ist die Stille der Zustand, in dem wir beginnen Gott zu hören – in der Stille der Wüste spricht Gott zu den Propheten. Wie gewaltig ist es an einem klaren Abend die Sterne und die Milchstraße über sich zu sehen – und das Schweigen des Alls zu hören – dieses Schweigen kann zu einem überwältigenden Donnern in der Seele führen – es ist die Nähe und Ferne Gottes zugleich, die wir da spüren können. Das ist für mich Ostern: sich der gewaltigen Ruhe gewahr werden, die sich um uns ausbreitet – und uns eine Ahnung von der Größe und Schönheit des Daseins schenkt. In der Ruhe des Ostermorgens ist alles anders – das Grab ist leer, das wütende Geschrei, die Schmerzenslaute, die Klage der Trauernden – alles ist vorbei – und eine strahlende, alles erfüllende Ruhe tritt ein. An der Krippe und am Kreuz kommt die Welt zur Ruhe – an den Orten der Liebesbezeugungen Gottes für uns – er schenkt uns Anfang und Ende seines Lebens. Er lädt uns ein in seine erfüllte und erfüllende Ruhe einzusteigen, hineinzuspringen in dieses Meer von Stille.

Versuchen wir das in diesen österlichen Tagen, die durch die momentane Lage entstellt, aber eben auch endlich einmal still sind, zu spüren: Die Ruhe um uns ist keine Leere, kein Defizit, es ist nicht nur dann was los, wenn was laut ist – sondern ruhig sein ist eine spirituelle und körperliche Lebensqualität. In der Ruhe kann es sein, daß in mir auch Dinge auferstehen, die ich dann erst richtig bemerke, wenn ich in mich hinein höre. Wo der Lärm endet, da steht das Gehör und damit die Seele auf – und deswegen ist es die Ruhe eines Morgens, die wir als die Zeit der Erlösung feiern, der Auferstehung.

Wenn der Wahnsinn um uns wieder Fahrt aufnimmt – nehmen wir die Ruhe dieses Ostermorgens mit in unser Leben, die Zeit und den Ort wo wir auferstehen – weil wir in der Ruhe das Leben finden – und nicht nur unseres, Seines, das in seinem Wort überwältigend auf uns zukommt – dieses Osterfest mit seinen ganzen Einschränkungen um uns ist sicher keine Strafe Gottes – und doch hat er mit diesem Osterfest nicht nur unsere Füße, sondern diesmal auch unsere Ohren gewaschen – pflegen wir dieses sensible Gehör auch im Lärm, der um uns wieder entbrennen wird. Amen.