PREDIGT ZUM 4. SONNTAG DER OSTERZEIT - LESEJAHR A
Schwestern und Brüder im Herrn,
Hier in der Ludwigskirche hatten wir vor zwei Jahren für Prof. Manfred Görg (AT) einen interreligiösen Gottesdienst und ich konnte mich danach mit der Rabbinerin der liberalen Gemeinde hier in München unterhalten: Und ein Satz blieb mir immer im Gedächtnis haften: Jesus von Nazareth hat über uns viel Schlimmes gesagt. Ich konnte das nicht nachvollziehen, bis ich zur Vorbereitung dieser Predigt gestern bei Guardini nachlas: Ich muss der Rabbinerin recht gegeben – aber darf noch hinzufügen: Jesus von Nazareth hat nicht viel Schlimmes über die Juden gesagt – er hat es über uns Menschen alle gesagt – nur die jüdischen Theologen haben es schneller verstanden. Gerade in diesem Evangelium vom guten Hirten, welches zunächst so heiter, ländlich daherkommt, daß wir es kaum verstehen, wir sollten es nicht unterschätzen. Vielleicht erfüllt es uns sogar mit einer gewissen Verlegenheit, wenn die Gläubigen, also wir mit einer Herde von Schafen verglichen werden.
Wir sind halt kein Hirtenvolk mehr, aber genau zu einem solchen sprach Jesus – versuchen wir uns da hinein zu denken:
Schon Abraham war eine Hirte, und so reich an Tieren, daß das Land für seine Tiere und die seines Bruders Lot zu klein wurde – und nach den Jahrhunderten der Wanderschaft, auch als sich das Volk Israel in Seinem Land sesshaft machte, es bleib ein Volk von Hirten – es waren Menschen, die ganz mit den Tieren lebten – jedes Tier kannten sie und sie wussten wie es um es bestellt war – und die Tiere ließen sich, geschützt durch die Stimmer ihrer Hirten, führen. Jesus nimmt diese Lebenserfahrung Israels auf und spricht: Ich in der Gute Hirte, ich kenne die meinen und die meinen kennen mich – was sagt er damit: ich bin der, der die Menschen kennt – jede, jeden, genau, tief, der weis was jede und jeder nötig hat.
Jedes seiner vertrauten Worte trifft genau die Wirklichkeit jedes einzelnen Schafes – und mit ihrem Leben, auf dem Weg zur Weide des Lebens, antworten sie ihm. Und diese Verbindung hat eine beeindruckende Tiefe: so wie mich der Vater kennt, und ich den Vater kenne, so kenne ich euch!
Hoppla – das ist jetzt nicht wieder eine der griechischen Gedankenverbindungen des Evangelisten Johannes – was er sagt ist ungeheuerlich: Jesus sagt damit: Was zwischen Dir und mir ist, das gleicht dem, was mich und den Vater verbindet – und was ist das? Eine völlige Einheit von Leben, ein vollkommenes Beieinandersein – ein kennen, ein Wissen umeinander, ein mit dem anderen Sein aus letzter Einheit heraus.
So wie Gott, so kennt Jesu uns – so wie er steht niemand zu uns – er kennt den Menschen bis in seine letzte Wurzel hinab, die in Gott ruht, der ihn kennt, wie er ihn.
Keiner als Jesus, der Menschensohn ist so wissend, so überlegen Mensch, wie er. In Jesus ist der Mensch tiefer verstanden, als er sich selbst je verstehen könnte. Daher hört und vertraut der Mensch – bzw. er soll es tun, den Worten Jesu tiefer als auf das Wort der Liebsten und Weisesten……so und jetzt merken wir gleich, dass die Sache kippt, nein brutal auf uns zukommt Vorsicht anschnallen: Auch meine Liebsten und die Weisesten sind nur die „Andern“ – alle die anderen, die vor mir kamen sind Diebe und Räuber – bitte bedenken wir das – alle die vor ihm kamen: Abraham, Mose, die Propheten (jetzt hatte ich die Rabbinerin verstanden)….jeder Mensch (wie ich eingangs ergänzte), der dem anderen Gutes will…..und Jesus schlägt noch einmal zu: Nur der gute Hirte hat überhaupt den Zugang zu seinen Schafen (Bild von der Türe) - alle anderen berühren nicht wirklich die Herzen der Menschen, können sie nicht wirklich führen. Nur Jesus hat den Zugang zum Eigentlichen des menschlichen Daseins.
Nochmal: „Alle die vor mir kamen sind Diebe und Räuber, aber die Schafe haben nicht auf sie gehört.“ Das ist ein furchtbares Wort! Alle außer ihm Diebe und Räuber – nichts wird also von ihm anerkannt: Menschliche Weisheit, Güte Klugheit, pädagogisches Einfühlungsvermögen, Mitleid – alles wird mit einem Satz vom Tisch unseres eigenen Verständnisses gefegt – weil es Jesus hier um ein Letztes und Tiefstes in seiner Liebe zum Menschen geht – und dieses Letzte darf nicht mit dem nur Menschlichen verwechselt werden.
Verglichen mit dem, was Christus tut, wenn er zum Menschen kommt, ist die Weise wie der Mensch zum Menschen kommt, Diebstahl, Raub, Gewalttat und Mord. In dem Augenblick in dem sich Christus als der Gute Hirte, der Erlöser zeigt, enthüllt er im selben Augenblick das, was der Mensch ist.
Nein, jetzt müssen wir uns verteidigen – so sind wir nicht!!! Ich komme doch zu meinem Nächsten nur, wenn ich eine gute Erkenntnis habe, ich will ihm doch weiterhelfen – meine Einsichten möchte ich doch nur teilen! Die Antwort des Guten Hirten: Du willst in deinem Tiefsten nicht die Wahrheit, sondern Macht über ihn!
Aber wenn ich doch den anderen ehrlich zeigen will, wie man wirklich leben kann!! Dann antwortete der Gute Hirte: Du willst nur dich selbst bestätigen in dem du dem anderen sagst, wie er/sie sein soll. Und noch ein letzter Protestversuch: Aber ich liebe doch den anderen und will ihm Gutes – und jetzt die größte Ohrfeige: Du liebst nicht deinen Nächsten, sondern du willst nur dich selbst genießen!
All das Hässliche sagt Christus über uns Menschen: Tief in dir stecken Gier, Gewalttat und Lebensneid – vulgo Mordlust – in Dir und jedem, auch im Weisen, der glaubt Weisheit zu lehren; im Prediger, der zur Frömmigkeit führt; im Erzieher, der bildet; im Vorgesetzten, der befiehlt, im Gesetzgeber, der Recht schafft, im Richter, der es anwendet – in allen Menschen ist ein Abgrund. Nur einer ist frei davon, von Grund aus. Einer nur redet aus der reinen Wahrheit, aus der wirklichen Liebe, aus der ehrlichsten Zuwendung: Christus.
Was, wenn wir das jetzt noch nervlich ertragen, was sagt das uns positiv, wenn wir nicht zu beleidigt sind – das Wort vom Guten Hirten ist uns Warnung und Aufgabe: Wenn Du dem anderen gegenüber aus Dir selbst heraus sprichst, aus Deiner Einsicht und Deiner Lebenserfahrung – vergiss es – es wird im besten Falle gut gemeint sein – wenn Du versuchst mit den Worten Jesu in deinem Hinterkopf zu sprechen, dann nimmst du den anderen ernst. Weil dann nicht mehr Du am Nächsten handelst, sondern du versuchst Christus an ihm handeln zu lassen.
Und nur darauf antwortet dann das Innere des Menschen wirklich und der Seelsorger kann sich wohl fühlen: der andere öffnet sich nicht meiner, sondern seiner Stimme.
Allerdings folgen dann viele Menschen auch nicht – denn in uns hört nicht nur das Tiefste, sondern auch der räuberische Wiederstand, der uns verschließt – der Wolf/Räuber lebt eben in uns – der größte Feind unserer Erlösung sind wir selbst. Aber: der Gute Hirte kämpft mit seinen härtesten Worten nur deswegen gegen uns, weil er für uns kämpft.
Warum tut er das – weil wir Menschen wie verlorene Schafe sind, von ihren Hirten verlassen – wir sind verlassen von den Gründen des Daseins her – natürlich gibt es viele tüchtige und gewissenhafte Menschen, die sich um die Anderen kümmern – und in ihrem Beistand vertreiben sie die Verlassenheit innerhalb des Daseins – alleine das Dasein selbst ist verlassen, weil es ist, wie es ist – von Gott abgesunken und schließlich ins Leere gehend durch den Tod. In diese Verlassenheit(=Vergänglicnkeit) reicht keine menschliche Hand hinab – nur seine Hand, die Hand Jesu Christi wird uns ergreifen, wenn wir durch den Klang seiner Stimme auf die Weide des Lebens finden – in Ewigkeit. Nicht Amen:
Vielleicht war das alles jetzt auch nur ein menschengedachter und gesagter theologischer Budenzauber – aber ich habe dennoch bei Guardini geräubert (sind wir wieder soweit), um uns die Kraft zu geben nicht nur das Gerede um uns herum auszuhalten, sondern es richtig einordnen zu können: Im Blick auf alles, was derzeit um uns gesagt wird: Nur einer spricht wirklich vom Leben – alle anderen, sobald sie ihren Mund aufmachen, den Prediger mit eingeschlossen, sind vor seinem Wort nichts als eine geschwätzige Räuberbande. Amen.